»Für unsere Frauen«

Frauenbilder der Weimarer Zeit in der Parteizeitung »Pfälzische Post«

von Katharina Güthe & Christina Leichtling

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Abb. 1: »Pfälzische Post«, Jahrgang 1924. Beilage »Für unsere Frauen«
Abb. 1: »Pfälzische Post«, Jahrgang 1924. Beilage »Für unsere Frauen«

In der sozialdemokratischen Parteizeitung »Pfälzische Post« erscheint in den 1920er Jahren die Beilage »Für unsere Frauen«. Es ist eine Beilage, die die Leserinnen in ihren alltäglichen und politischen Belangen anspricht und sie für ihre »geschlechtstypischen Aufgaben« sensibilisieren soll. Die Beilage zeichnet dabei ein widersprüchliches Bild: Einerseits werden die Aufgaben der Frau hauptsächlich in der Mutterrolle verortet. Andererseits werden in Wahlzeiten die Leserinnen aufgefordert, am politischen Geschehen teilzunehmen und für ihre Rechte zu kämpfen.
Die Beiträge in der »Pfälzischen Post« bieten damit Einblicke in die Frauenpolitik der 1920er Jahre. Sie veranschaulichen die emanzipatorischen Ziele der SPD und zeigen gleichzeitig Alltag und Realität der Frauenbewegung in der Pfalz auf.

Inhalt

»Für unsere Frauen«

Die sozialdemokratische Parteizeitung »Pfälzische Post« wendet sich in ihrer Beilage »Für unsere Frauen« an die Bedürfnisse und an die Interessenlage der Abonnentinnen. Es ist eine Beilage, die Frauen in ihren alltäglichen und politischen Belangen ansprechen und sie für ihre »geschlechtstypischen Aufgaben« sensibilisieren soll.

Die Zeitungsbeilage, erstmals erschienen im Jahr 1924 (Abb. 1), versteht sich als Spiegel der Lebenswelt der proletarischen Frau. Die Frauenbilder im sozialdemokratischen Milieu der Weimarer Zeit treten daraus deutlich hervor: In den Artikeln der Beilage werden die »natürlichen« Aufgaben der Frau in der Mutterrolle verortet, die als gesellschaftliches Idealbild dargestellt wird. In Wahlzeiten dominiert dagegen ein anderer Anspruch an die Frau. Sie wird aufgefordert, am politischen Geschehen teilzunehmen und für ihre Rechte zu kämpfen, um eine politische und ökonomische Gleichstellung mit dem Mann zu erlangen.

Die Beiträge in der »Pfälzischen Post« ermöglichen Einblicke in die Frauenpolitik der 1920er Jahre. Sie veranschaulichen die emanzipatorischen Ziele der SPD und zeigen gleichzeitig Alltag und Realität der Frauenbewegung in der Pfalz auf.

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Zur deutschen Frauenbewegung

Die deutsche Frauenbewegung war auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen organisiert. Die sozialdemokratischen Arbeiterinnenvereine hielten überwiegend Distanz zur damaligen bürgerlichen Frauenbewegung. Der Grund waren weltanschauliche Unterschiede. Die bürgerliche Frauenbewegung sah Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen als Objekte von Sozialpolitik und Sozialfürsorge an und eben nicht als Individuen eigenständiger Interessenvertretung. Aufgrund dessen »hatten sich proletarische Frauen mit ihren Problemen und Protestformen zunehmend an den gewerkschaftlichen und politischen Organisationen männlicher Arbeit orientiert« (Frevert 1986, 135).

Die proletarischen Arbeiterinnenvereine rückten die Lohnfrage ins Zentrum ihres Engagements. Für höhere Lohnforderungen wurden Streiks in Betracht gezogen. Jedoch beendete das Sozialistengesetz zwischen 1878 und 1890 die Arbeit dieser Frauenvereine schnell. Die Organisationen wurden verboten und ihre Vorstände zu Geld- und Haftstrafen verurteilt. In gleichem Maße war auch das preußische Vereinsgesetz von 1850 dafür verantwortlich, dass Arbeiterinnenorganisationen sich auflösen mussten. Das Gesetz untersagte unter anderem Frauen den Besuch politischer Versammlungen und die Mitgliedschaft in politischen Organisationen.

Die parteipolitische Frauenarbeit der Sozialdemokraten war bis zum Reichsvereinsgesetz 1908, das Frauen erstmals die Parteimitgliedschaft erlaubte, beträchtlich eingeschränkt. Jedoch wurden schon ab den 1890er Jahren zunehmend weibliche Mitglieder in Gewerkschaften aufgenommen. Die Gewerkschaften bestärkten auch die Werbe- und Agitationsarbeit unter den Arbeiterinnen.

Die Forderung nach gleichem Stimmrecht

Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) war anfangs wenig an weiblichen Mitgliedern interessiert. Viele männliche Sozialdemokraten versuchten sogar die Werbung und Mobilisierung weiblicher Mitglieder zu verhindern. »Die Initiative ging eher von den proletarischen Frauen selber aus, die sich um engere Kontakte und Unterstützung seitens der Sozialdemokraten bemühten« (Frevert 1986, 135). Jedoch forderte die SAP auf ihrem Vereinigungskongress in Gotha 1875 das politische Stimmrecht für alle Staatsbürger. Das Erfurter Programm von 1891 präzisierte diese Forderung und schlug vor, ein »[a]llgemeines, gleiches, direktes Wahl- und Stimmrecht mit geheimer Stimmabgabe aller über 20 Jahre alten Reichsangehörigen ohne Unterschied des Geschlechts für alle Wahlen und Abstimmungen« (Kautsky 1919, 246) einzuführen. Keine andere Partei stellte bis 1918 solche Gleichberechtigungsforderungen.

Frauenagitationskommissionen

Ab 1889 kam es zu Gründungen informeller Frauenagitationskommissionen. Dort wurden Versammlungen einberufen und Delegierte zu sozialdemokratischen Parteitagen entsandt. Die Agitationskommissionen bildeten gewerbliche und allgemeine Arbeiterinnenvereine, die die politische und kulturelle Weiterbildung von Frauen thematisierten. In diesen Vereinen kamen die Frauen regelmäßig zusammen. Es wurden Vorträge organisiert und Unterhaltungen über Literatur, Kindererziehung, Prostitution, Religion und Ehescheidung geführt. Im Jahr 1893 wurden dann erneut nahezu alle Frauenvereine aufgelöst. Erst die offizielle Anerkennung der Frauenorganisationen innerhalb der SPD 1905 sorgte dann für einen neuen Organisationsschub (vgl. Hervé 1995, 73). Am 15. Mai 1908 trat die Vereinsfreiheit in Kraft, Frauen konnten nun Parteimitglieder werden (vgl. Nave–Herz 1997, 33). Die Genossinnen wurden durch Parteibeschlüsse autorisiert, »auf lokaler Ebene eigene Zusammenkünfte einzurichten« (Frevert 1986, 136).

Unterdrückung der Frauenemanzipation

In vielen sozialdemokratischen Familien dieser Zeit war es den Frauen nicht möglich, dem sozialistischen Frauenideal gemäß emanzipiert und ökonomisch eigenständig zu leben. Gerade besserverdienende Facharbeiter verhinderten, dass ihre Ehefrauen eine eigene Arbeit annahmen. Vereinzelt gab es sogar organisierte Gegenbewegungen, wie beispielweise den »Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation« (vgl. Nave-Herz 1997). Allerdings gab es auch Frauen, die sich den Männern aktiv widersetzten und sich ohne deren Hilfe den Leitbildern der Sozialdemokratie anschlossen.

Anstieg der weiblichen Parteimitglieder

»Bis 1914 entwickelte sich der politische Flügel der Frauenbewegung zu einer großen Organisation. Die Zahl der weiblichen Parteimitglieder stieg von 30 000 (6 %) im Jahr 1908 auf knapp 175 000 (16 %) im Jahr 1914« (Hervé 1995, 75). Davon waren etwa ein Drittel Arbeiterinnen, die restlichen zwei Drittel fielen unter die Rubrik Hausfrauen oder Familienangehörige von Sozialdemokraten.

Frauen, die neben den häuslichen Tätigkeiten keine Festanstellung hatten, blieb offensichtlich ein größerer zeitlicher Rahmen für die politische Arbeit. Die Töchter sozialdemokratischer Familien engagierten sich meist in der Arbeiterjugend (vgl. Frevert 1986, 139). Arbeiterinnen dagegen erlitten durch die oft kräftezehrende Fabrikarbeit sowie die Doppelbelastung durch Haushalt und Kindererziehung erhebliche Einschränkungen in ihren Möglichkeiten, bei der Parteiarbeit mitzuwirken. Dies erklärt auch, warum die weibliche Erwerbsarbeit schon bald nicht mehr zu den Hauptzielen der Frauenbewegung gehörte.

Zwischen » Mutterberuf« und politischer Partizipation

Im sozialdemokratischen Arbeitermilieu wurde die Mutterrolle gewissermaßen zum »Naturberuf« der Frau reklamiert und mit den Zielen der Arbeiterbewegung verknüpft: die soziale Fürsorge der Mutter könne das mannigfache Elend verbessern und zur geistigen und körperlichen Wiedergeburt der Arbeiterklasse beitragen. Das Ideal der sozialdemokratischen Mutter sah vor, dass sie die Kinder betreute und zu engagierten Klassenkämpfern erzog.

Sobald das Einkommen des Mannes ausreichte, schieden viele Frauen aus dem Erwerbsleben aus. Im Vergleich zur Fabrikarbeit, Minimallöhnen, nicht regulierten Arbeitszeiten und monotoner Tätigkeit am Arbeitsplatz, die jedwede Möglichkeit auf Selbstverwirklichung eindämmte, erschien das propagierte Idealbild der Mutter als ein verlockender Lebensentwurf (vgl. Frevert 1986, 143). Sozialdemokratische Zeitungen griffen dieses Selbstbild auf, sie veröffentlichen Modetipps, Kindererziehungsratgeber sowie Ratschläge zur Haushaltsführung.

Gesellschaftlich tätig waren Frauen hauptsächlich in der Wohlfahrtspflege auf kommunaler Ebene, wo sich ihr Engagement häufig auf die Organisation von Hilfsaktionen für proletarische Frauen und Kinder konzentrierte. Frauen brachten sich in der Kranken- und Arbeitslosenfürsorge, Waisen- und Säuglingspflege, Arbeit in Kindergärten und Krippen, in der Schulpolitik, im Gesundheitswesen, in Wohnungsinspektion und in der Lebensmittelkontrolle ein (vgl. Frevert 1986, 140–141).

Ein gesellschaftlicher Umsturz, der mit einem Mal alle Missstände beseitigt, erschien vielen nur als Utopie. Deshalb erachtete es die Mehrzahl der sozialdemokratischen Frauen jener Zeit als sinnvoller, auf lokaler Ebene in kleinerem Rahmen zu agieren und nicht auf den Tag der sozialistischen Revolution zu warten. Direkte Hilfe von Angesicht zu Angesicht, bei der Frauen andere Frauen durch ihre persönliche Lebenserfahrung unterstützen konnten, stellte für sie eine tatsächliche Bereicherung in der Bewältigung des Alltags dar.

Bürgerliche und proletarische Frauenbewegung

Dass sich die sozialdemokratische Frauenbewegung von ihrer ursprünglichen Emanzipationstheorie entfernte und Frauen nun überwiegend als Hausfrauen und Mütter wahrgenommen wurden, veranlasste bereits Clara Zetkin (1857–1933) zu dem Urteil: »Die sozialdemokratische Frauenbewegung ist verbürgerlicht« (Zetkin 1971[1928], 222).

Tatsächlich wiesen die bürgerliche und proletarische Frauenbewegung trotz unterschiedlicher Organisationsformen und Zielsetzungen einige Parallelen auf. Die jeweiligen Aktivistinnen kamen meist aus dem Bürgertum und hatten eine abgeschlossene Lehrerinnenausbildung. Die politische Arbeit wurde ihnen gleichermaßen erschwert durch öffentliches Redeverbot, Verhöhnungen seitens der politischen Gegner oder die lange Zeit eingeschränkte Versammlungsfreiheit.

Beide Frauenbewegungen setzten sich für politische Gleichberechtigung ein, für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit, für das Recht auf Erwerbstätigkeit, für den Mutterschutz, für privatrechtliche Gleichstellung und für gleiche Bildungschancen. Bezüglich der Forderung nach Recht auf Arbeit »kämpfte die bürgerliche Frauenbewegung um die Neuaufnahme von ledigen Frauen in mittleren und höheren Berufsposition« (Nave–Herz 1997, 40), die proletarische Frauenbewegung kämpfte gegen einen generellen Ausschluss der Arbeiterinnen vom Arbeitsprozess.1)

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Die Frau und der Sozialismus

Während die sozialdemokratischen Frauenvereine ihre Emanzipationsbestrebungen somit zunehmend den Alltagsbedürfnissen und einem traditionellen Rollenverhältnis unterordneten, blieb in der Theorie ein ideelleres Leitbild erhalten. Dieses war maßgeblich geprägt durch Clara Zetkin und durch August Bebels Schrift »Die Frau und der Sozialismus«.

Clara Zetkin formulierte eine strikte Emanzipationstheorie, die in direktem Zusammenhang mit der Vorstellung einer sozialistischen Gesellschaft stand. Sie verstand die aktive Teilnahme der sozialdemokratischen Frauenbewegung am Klassenkampf der Proletarier als eine Notwendigkeit, um den »revolutionären Umsturz der bürgerlichen Gesellschaft und die Verwirklichung des Sozialismus« (Zetkin 1971 [1928], 213) mit zu initiieren. Ein angestrebtes Ziel war »die Vernichtung der alten hausgewerblichen Tätigkeit der Frau in der Familie durch die kapitalistische Produktionsweise« (Zetkin 1971 [1928], 213).

Durch die ökonomische Emanzipation und die politische Partizipation der Frau sollte die angestrebte Zukunftsgesellschaft erreicht werden, die den zuvor unterschiedlich privilegierten Klassen und Geschlechtern dann eine tatsächliche Chancengleichheit und Gerechtigkeit ermöglichen würde.

August Bebel (1840–1913) wies in seinem Werk »Die Frau und der Sozialismus« (1879) auf die Gemeinsamkeit der Arbeiterklasse und der Lage der Frauen hin. Beide seien Unterdrückte des Systems, wobei die Frauen in ihrer sozialen Position noch hinter den Arbeitern einzuordnen wären.

Bebel forderte die soziale Unabhängigkeit und Gleichstellung der Geschlechter und betonte, dass die Sozialdemokratie die einzige Bewegung sei, die die volle Gleichberechtigung der Frau in ihrem Programm vertrete (vgl. Grebing 2012, 100). Bebel zeichnete ein Zukunftsbild der Frau, die sozial und ökonomisch vollkommen unabhängig sei: »Sie steht dem Mann »als Freie und Gleiche gegenüber und ist Herrin [!] ihrer Geschicke« (Grebing 2012, 102). Jedoch wird Gleichheit nicht als absoluter Begriff behandelt, sondern als eine Rahmenbedingung, in der »beide Geschlechter sich frei nach ihren natürlichen Fähigkeiten betätigen sollten« (Grebing 2012, 98).

August Bebels Werk zur Gleichstellung der Frau fand umfassenden Eingang in das Bewusstsein der Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen.

»Allein in Deutschland wurden zu Bebels Lebzeiten über 200 000 Exemplare von all jenen erworben, die eine Anleitung in Theorie und Praxis für ihre demokratisch-sozialistische Weltanschauung suchten. Der 'Arbeiterkaiser' Bebel hatte ein Buch geschrieben, das vielen wie eine neue Bibel erschienen sein muss; es war das am meisten ausgeliehene Buch in den Arbeiterbibliotheken« (Grebing 2012, 100).

Bebels proklamierte die Emanzipation der Frau, jedoch mit gewissen Einschränkungen. So spricht auch er von einer freien Entfaltung gemäß den »natürlichen Fähigkeiten«, die dem Wesen der Frau zugrunde lägen. Es bestand scheinbar ein feiner Unterschied zwischen der Emanzipation als Leitbild und den gelebten Frauenbildern im Alltag.

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Zwischen Mutterschaft und Wahlkampf – Frauenbilder in der »Pfälzischen Post«

Dieser Unterschied wird auch in der Beilage »Für unsere Frauen« in der Parteizeitung »Pfälzische Post« deutlich. Hier finden sich anschauliche Beispiele für die alltagspraktische Umsetzung der theoretischen Leitbilder der Frauenbewegung in der Pfalz zur Zeit der Weimarer Republik. Die Artikel versuchen die Bedürfnisse ihrer weiblichen Leserschaft anzusprechen, sie zu unterhalten und ihr politisches Bewusstsein zu wecken.

Dabei zeichnen die Artikel ein Frauenbild, welches dem sozialdemokratischen Ideal nur bedingt entspricht. Einerseits werden Frauen als emanzipierter und politisch mündiger Teil der Gesellschaft betrachtet. Andererseits bleiben sie in den seinerzeit dominierenden Geschlechtszuschreibungen verfangen, die Frauen nur abgegrenzte Alltagsbereiche zuwies. Die Beilage »Für unsere Frauen« schlägt eine Brücke zwischen diesen zwiespältigen gesellschaftspolitischen Zuschreibungen.

Die » Pfälzische Post«

Die Parteizeitung »Pfälzische Post« wurde 1895 durch Franz Josef Ehrhart gegründet. Ihre erste Ausgabe erschien am 1. Oktober 1895, als Kopfblatt der Zeitung »Volksstimme«. 1904 wurde die Zeitung eigenständig, da man ein geeignetes Grundstück fand und eine eigene Druckerei aufbaute. Die erste Ausgabe im eigenen Haus erschien am 13. Oktober 1904.2)

Seit dem 21. Februar 1924 wurde in der »Pfälzischen Post« die Beilage »Für unsere Frauen« veröffentlicht, die vorrangig mittwochs erschien. Am 22. Oktober 1924 erfolgte dann eine Umbenennung der Beilage in die »Pfälzische Frauen Post«.3)

1933 besetzte die SA das Verlagsgebäude in Ludwigshafen (vgl. Geis 1999, 12). In diesem Jahr lässt sich keine Sonderbeilage für Frauen nachweisen.4) Das Layout sowie der Zeitungstitel hatten sich zwischenzeitlich deutlich gewandelt. Als markantes Symbol, um die politische Position nach außen zu transportieren, waren nun in der Zeitungsüberschrift die drei Pfeile der Eisernen Front eingearbeitet worden.5)

» Für unsere Frauen« – Titel und Themen

Betrachtet man den Grundton der Artikel, die Überschriften und die Bilder, wird deutlich, dass die Ziele und Inhalte der sozialdemokratischen Frauenagitation den Wahlperioden folgten.

»In Wahlkampfzeiten erhielt die Beigabe allerdings einen stark politischen Anstrich. Eine Analyse der Ausgaben, die vor den Reichstagswahlen erschienen, ergibt eine eindeutige Zurückdrängung des Unterhaltungsteils beziehungsweise der Behandlung hausfraulicher Themen zugunsten von Artikel führender Genossinnen zur Wahlpflicht der Frauen« (Renner 1999, 399).

Titel wie »Und wir Frauen geben den Ausschlag«, »Die Verantwortung der Frau bei den Wahlen«, »Nicht müde werden«, »Über die gegenwärtige und zukünftige Stellung der Frau« von August Bebel, »Nach den Wahlen«, »Die Frau und der Sozialismus«, »Mahn-ruf an die Frau« oder auch «werben-wirken-wollen« richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Bewusstseinsbildung der Proletarierin als politische Subjekte. Sie sollten für die sozialdemokratischen Ziele in dieser Zeit sensibilisiert werden, um sich in die Reihen des Klassenkampfes zu stellen, politisch zu partizipieren und ihre Wahlberechtigung aktiv im Sinne der sozialdemokratischen Bewegung einzusetzen.

In wahlfreien Zeiten dominierten in der Beilage Artikel rund um das Thema Familie und Haushaltsführung. Häufig erschienen Beiträge zur allgemeinen Zerstreuung wie Gedichte, Lieder, Anekdoten und Erzählungen (vgl. Renner 1999, 399).

Die Titel der Beiträge bildeten gewissermaßen die Ansprüche an die Lebenswelt und Rolle der Hausfrau ab: »Arbeiterwohlfahrt und Kampf gegen die Tuberkulose«, »Das Ruhebedürfnis des Kleinkindes«, »Ehe und gesunde Nachkommenschaft«, »Das spielende Kind«, »Mutterbewußtsein«, »Die Unterbrechung der Schwangerschaft«, »Zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten«, »Die Erblichkeit der Zwillingsgeburt«, »Frauen in der Wohlfahrtspflege«, »Einige Fragen an die Hausfrau«, »Was ist Hysterie«, »Meine Mutter«, »Von der Entfremdung in der Ehe«, »Einkindsystem oder Kinderreichtum« und »Chinesische Weisheitssprüche über die Frau«.6)

Neben einzelnen thematischen Beiträgen waren auch regelmäßig erscheinende Artikelserien der Zeitungsbeilage an einem spezifischen Frauenbild ausgerichtet. Dazu gehören etwa die Rubriken »Selbst ist die Frau«, eine Modenschau der Zeitung »Frauenwelt« mit Schnittmustern und Nähanleitungen, Dekorationsanleitungen und die Kolumne »Frauen im Leben berühmter Männer«.

Die Rolle der Mutter im Sozialismus

Die drei Artikel, »Mutterbewußtsein«, eine Schrift, die auf das Werk »Atlantis« von Gerhard Hauptmann zurückgreift, »An meine Mutter«, ein Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe und »Chinesische Weisheitssprüche über die Frau«, verdeutlichen das Leitbild der Mutterrolle und führen stereotypische, als traditionell weiblich erachtete Wesenszüge auf.

Abb. 2 »Mutterbewußtsein«,

Der Artikel »Mutterbewußtsein« appelliert an die Frau, ihr Wesen als »Naturrecht« zu begreifen und die Relevanz dieses Naturrechts für die sozialistische Gesellschaft zu erkennen. Der Artikel beschreibt, dass der lebendige Punkt jeder Reform des Frauenrechts das Mutterbewußtsein bilden müsse und fährt fort:

»Die Zelle des zukünftigen Zellenstaates, der einen gesünderen sozialen Körper darstellen wird, ist das Weib mit Mutterbewußtsein. Die großen Reformationen der Frauenwelt sind nicht diejenigen, deren Absicht es ist, es den Männern in jeder Beziehung gleichtun, sondern jene, die sich bewußt werden, daß jeder, auch der größte Mann, durch ein Weib geboren ist, die bewußten Gebärerinnen des Geschlechtes der Menschen und Götter«.6)

Dieses Portrait der Mutter als »Menschheitsgebärerin« zeugt von einem ausgesprochen selbstbewussten gesellschaftlichen Selbstbild, das auf den ersten Blick nur schwer vereinbar mit den sozialen und ökonomischen Verhältnissen erscheint. Das »Naturrecht des Weibes« Kinder zu bekommen und sie zu erziehen, mache sie zum eigentlich handlungsfähigen und verantwortungsvollen Geschlecht. Die Forderung nach der Gleichberechtigung von Frauen und die Unabhängigkeit von Männern sei damit eine Wiederherstellung eines Naturrechts, das man »sich hat entreißen lassen«:

»Man hat die Geburt des Kindes, sofern sie nicht durch einen Mann sanktioniert ist, unter den Schwefelregen allgemeiner und öffentlicher Verachtung gestellt. Diese Verachtung ist aber zugleich das erbärmlichste Blatt in der Mannesgeschichte. Bildet eine Liga der Mütter, würde ich den Frauen raten, und jedes Mitglied bekennt sich, ohne auf Sanktionen des Mannes, d.h. auf die Ehe, Rücksicht zu nehmen«.7)

Der Artikel ist bemerkenswert, da er deutlich auf emanzipatorische Ideen Bezug nimmt und der Frau eine eigene Machtposition in der Gesellschaft zuschreibt. Indem diese Machtposition allerdings mit den naturgegeben Rechten der Mutterrolle begründet wird, stellt er in gewisser Hinsicht lediglich eine positive Umformulierung der Geschlechterverhältnisse dar. Schließlich ist es eben diese Rolle als Mutter und Hausfrau, die vielen Frauen in der Weimarer Zeit eine tatsächliche politische Teilhabe unmöglich macht.

» Chinesische Weisheitssprüche über die Frau«

Die Aphorismen aus dem Artikel »Chinesische Weisheitssprüche über die Frau« umreißen Charaktereigenschaften, die die Eigenarten einer Frau ausmachen sollen. Er zeichnet durch kurze Sinnsprüche eine frauenspezifische Gefühlslandschaft nach, die durch Sanftmütigkeit, Fürsorge, Verständnis, schüchterne Zurückhaltung, Anstand, Anmut und Gefühlsbetontheit geprägt ist.

Abb. 3: »Chinesische Weisheitssprüche über die Frau«
Abb. 3: »Chinesische Weisheitssprüche über die Frau«

Folgende Beispiele illustrieren dieses Leitbild:

»Die Scham ist die Tapferkeit der Frau. Das junge Mädchen, das laut schreit, verliert jeden Hauch von Anmut.«

»Der Schmutz kann eine Feder verdecken und verstecken, aber nie die Schande einer Frau.«

»Das junge Mädchen gleicht einem grünen Getreidefelde unter Schnee.«

»Jede Frau lehrt unbewußt. Sie überträgt die Auffassung des Verstandes in die Fülle der Gefühle.«7)

Die Aphorismen konstruieren gesellschaftliche Vorstellungen von Weiblichkeit, an denen sich die Leserin orientieren soll. Das Verhältnis zu den emanzipatorischen Zielen der Sozialdemokratie ist nicht unproblematisch. Das Sprichwort »Die Scham ist die Tapferkeit der Frau. Das junge Mädchen, das laut schreit, verliert jeden Hauch von Anmut«8) sticht besonders hervor. Einerseits werden Sozialdemokratinnen (auch in der »Pfälzischen Post«) zu einem eigenen Engagement im sozialistischen Klassenkampf aufgerufen, der nicht »leise« vonstattengehen konnte. Demonstrationen, Parteisitzungen und Wahlagitationen wurden schließlich nicht in stillen Kreisen geführt.

Andererseits hebt dieser Aphorismus nun hervor, dass »Scham« und »Anmut« die eigentlichen Tugenden der Frau seien. Setzt also die sozialdemokratische Frau ihre Weiblichkeit aufs Spiel, wenn sie laut und nicht schamhaft für ihre politische Überzeugung eintritt? Implizit werden hier traditionelle Geschlechterrollen in einer verbürgerlichten Frauenbewegung mit »Weisheitssprüchen« untermalt, deren (zweifelhafter) chinesischer Ursprung eine exotische Allgemeingültigkeit ausstrahlt. Ist die naturgegebene Rolle der stillen Fürsorgerin in der Wohlfahrt nicht reizvoller? Ist der Alltag als Mutter von Klassenkämpfern nicht passender für die Frau als die Rolle der Klassenkämpferin selbst? Auch hier zeichnet sich eine feine Unterscheidung der propagierten Emanzipation und der gelebten Geschlechterrollen im Alltag ab.

» Frauen im Leben berühmter Männer«

Abb. 4: »Meine Mutter«
Abb. 4: »Meine Mutter«

Dem Mutterdasein wird in der Beilage grundsätzlich hohes Prestige zugeschrieben. Würdigungen und Anerkennung werden in Artikeln zur Bedeutung der Erziehungsaufgaben der Mutter eingeschrieben oder in mundgerechte Unterhaltungsformate verpackt. Sie alle schreiben der Frau ein mütterliches Naturell zu und verklären es. So dient Johann Wolfgang von Goethes Gedicht »An meine Mutter« beispielsweise einer lyrischen Verehrung der Mutterrolle. Auch der freigeistige und weltmännische Dichter Goethe, so der Subtext, ist zunächst der Sohn einer Frau und ist ihr für sein Dasein, sein Wesen, sein Charakter und seine Erfolge Dank schuldig.

Dem gleichen Schema folgt die Kolumne »Frauen im Leben berühmter Männer«8), die als regulärer Bestandteil der Frauenbeilage den Einfluss und die Wirkung von Frauen auf ihre Begleiter beleuchtet.

Diese scheinbare Hommage allerdings schreibt eine klassische Geschlechterhierarchie fort: Die Frau ist in der ewigen Nebenrolle verfangen: als Mutter, als Muse, als treue Weggefährtin, als Liebhaberin und Ehefrau. Sie »funktioniert« im Zusammenspiel mit dem Mann. Es gelingt der Frau selten aus dieser Position auszubrechen und als Protagonistin ihrer eigenen Angelegenheiten zu wirken. Hier stellt sich die Frage nach der Bedeutung der sozialistischen Gleichheitsideale. Inwiefern bleibt sie nur auf dem Papier erfüllt? Inwieweit kann die Frau dort aus dem Schatten des Mannes ausbrechen?

Wahlaufrufe

In Wahlkampfzeiten erhält die Beilage einen stark politischen Anstrich. Zur Verdeutlichung dieser Tendenz werden nun zwei Artikel und eine Werbung für ein Waschmittelprodukt eingehender betrachtet.

Abb. 5: Persil-Werbung im Stil eines Wahlaufrufes
Abb. 5: Persil-Werbung im Stil eines Wahlaufrufes

» Frauen! Wählt zur Wäsche nur Persil«

Im November des Jahres 1924 erschien eine Waschmittel-Werbung mit der Überschrift »Frauen! Wählt zur Wäsche nur Persil«.8) An dieser ganzseitigen Werbeanzeige lässt sich erkennen, dass auch unpolitische Motive, wie beispielsweise eine Werbung für Haushaltsprodukte, stets hinsichtlich einer politischen Ausdrucksform zum Thema gemacht wurden. Erwähnenswert ist bei dieser Werbeseite, dass sie nicht in der Frauenbeilage veröffentlicht wurde, sondern schon im Hauptteil erschien.
Die Werbung ist im Stile eines Wahlaufrufs gestaltet. Auf einem Podest steht eine Rednerin und gestikuliert dabei selbstbewusst mit offenen Armen. Die Zuhörer sind ausschließlich Frauen, die interessiert das Geschehen verfolgen, teilweise mit erhobenen Transparenten. Augenscheinlich geht es hier um das Waschmittelprodukt Persil. Allerdings lässt sich eine Parallele zu den bevorstehenden Reichstagswahlen am 7. Dezember 1924 zu ziehen.

Die Frauen werden im Vorfeld der Wahlen als politische Subjekte dargestellt, die in der Masse bewusst mächtig wirken. Sie bilden in dieser Darstellungsweise keineswegs das oft propagierte »schwächere Geschlecht«. Allerdings ist es wiederum die Hausfrauenrolle, die hier im Rahmen einer Werbekampagne politisch aufgewertet wird, während diese Rolle den sozialdemokratischen Frauen ein gesellschaftliches Engagement de facto häufig nur in der Wohlfahrtsarbeit zuließ.

Abb. 6: »Der Monat Oktober ist der Werbemonat der Frau«

» Der Monat Oktober ist der Werbemonat der Frauen«

Ein weiterer Artikel der Frauenbeilage mit dem Titel »Der Monat Oktober ist der Werbemonat der Frauen«8) vom 22. Oktober 1924 ruft gezielt dazu auf, neue Mitglieder zu werben. »Gewinnt sie zu Mitgliedern der sozialdemokratischen Partei, zu dem großen Heer der Kämpferinnen, das alle Leidenden und Ausgebeuteten umfassen soll«.9) Es werden zwar die großen Mitgliederzahlen gelobt, jedoch auch die Menge der nichtorganisierten Frauen angeprangert. Die Genossinnen sollen sich insbesondere Arbeiterinnen zuwenden, sowie Lehrerinnen, Angestellten und Beamtinnen, da diese Frauen nur mit Hilfe der Sozialdemokratie Partei ihre wirkliche Gleichberechtigung erreichen können.

Der Artikel beschwört, dass es bei den bevorstehenden Wahlen auf das Engagement der Parteimitglieder ankomme und liefert den Leserinnen Argumente an die Hand. Die SPD ruft in ihrem Hausblatt in Erinnerung, dass nur die Sozialdemokratie hinsichtlich der Geschlechterfrage auf der Seite der Frauen stehe.

In diesem Aufruf wird ersichtlich, dass sich die Parteiführung mit den Problemen und Ängsten der Frauen gezielt auseinandergesetzt hatte. Zentrale Anliegen wie der Schutz der Gesundheit im Beruf, ein gerechter Lohn und Fürsorge für das Alter werden besonders hervorgehoben. Nebenbei wird auch dazu aufgerufen, Leserinnen für die Zeitungen »Pfälzische Post« und »Frauenwelt« zu gewinnen und so eine höhere Anhängerschaft zu rekrutieren.

Abb. 7: »Was unsere Frauen nicht vergessen dürfen«
Abb. 7: »Was unsere Frauen nicht vergessen dürfen«

» Was unsere Frauen nicht vergessen dürfen«

Am 10. März 1924 erschien ein Artikel mit der Überschrift »Was unsere Frauen nicht vergessen dürfen«9), der die Leserinnen für die Reichstagswahl am 5. Mai 1924 sensibilisieren sollte.

Der Artikel ist eine lose Zusammenstellung unterschiedlicher Parteipositionen, die Frauenpolitik und Frauenalltag betreffen, um bei den Leserinnen mögliche Zweifel an der Parteilinie zu beseitigen. Betont wird etwa, dass das Christentum und der Sozialismus durchaus miteinander harmonieren, »wie Wollen und Vollbringen«. Es wird in diesen Zusammenhang eigens betont, dass die Sozialdemokraten keinesfalls den Menschen ihren Glauben nehmen wollen, eine scheinbar verbreitete Befürchtung in der durchaus religiös geprägten Pfalz.

Ein weiterer Punkt behandelt die programmatische Forderung nach einer Gleichberechtigung von Frauen. Die Zukunft der sozialistischen Gesellschaft brauche »neue Menschen«. Die Frauen hätten in dieser Gesellschaftsordnung ein Recht darauf, »als Menschen, nicht als Weibchen oder Dienstmädchen behandelt zu werden. Erst recht in der Ehe.«10)

Mit solchen Beiträgen erinnerte die SPD in ihrer Parteizeitung zu Wahlkampfzeiten die Leserinnen und sich selbst an die sozialdemokratischen Leitbilder einer idealen Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleichberechtigt leben. Frauen werden in ihrer Eigenständigkeit bestärkt und ermutigt, für ihre Unabhängigkeit zu kämpfen. Es wird auch hervorgehoben, dass all diese Vorstellungen nur mit Hilfe sozialdemokratischer Politik verwirklicht werden können. Weit entfernt von den weltanschaulichen Differenzen der Revisionismusdebatte gehen in diesen Wahlaufrufen an die Leserinnen der »Pfälzischen Post« die sozialistischen Gesellschaftsentwürfe und die pragmatische Alltagspolitik Hand in Hand.

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Ein emanzipiertes Frauenbild?

Die sozialdemokratische Frauenbewegung verstand sich als politische Bewegung. Sie kämpfte für die Verwirklichung von Frauenrechten mit dem Ziel einer Verschiebung der rechtlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen Stellung der Frau, um dem Mann gleichgestellt zu sein.

Der Alltag der proletarischen Frauen wurde jedoch häufig nur bedingt dem sozialdemokratischen Gesellschaftsideal gerecht, auch in den »goldenen« zwanziger Jahren der Weimarer Republik. Tradierte Geschlechterverhältnisse bestimmten die Lebenswelt von Frauen, sowohl im Berufs- und Familienleben als auch in den Medien dieser Zeit. Die Rolle der Frau als Versorgerin von Kind, Heim und Ehemann ist omnipräsent, wobei den familiären Aufgaben auch eine erzieherische Bedeutung für die Arbeiterklasse als Ganzes zugesprochen wurde. Dementsprechend waren Frauen bevorzugt im Bereich der Wohlfahrtspflege und in der Organisation von Hilfsaktionen engagiert, während ihnen die Arbeit in den Parlamenten nur in Ausnahmefällen möglich war.

Dass es sich dabei allerdings eher um ein Spannungsverhältnis als um feste Setzungen handelte, zeigt die Beilage »Für unsere Frauen« in der Parteizeitung »Pfälzische Post«. Die Bandbreite der veröffentlichten Artikel zeichnet ein Frauenbild, das zwischen selbstbestimmter politischer Aktivität und Mutterrolle verschränkt ist. Die Haushaltsführung und Familienpflege bilden als »klassische Frauenthemen« die Leitmotive, werden aber mitunter politisch überformt. Dort, wo die Frau als Mitstreiterin für eine gleichberechtigte Gesellschaft angesprochen wird, sind es häufig »weiblich« konnotierte Wesenszüge und Aufgaben, die auch in ihrer gesellschaftspolitischen Bedeutung hervorgehoben werden.

Ute Renner resümiert die Umsetzung der Emanzipationsbestrebungen der Frau in der pfälzischen Sozialdemokratie folgendermaßen:

»Was war aus den Postulaten der Partei geworden, sich für eine gleichberechtigte Stellung des weiblichen Geschlechts in Politik und Gesellschaft ebenso wie in der eigenen Organisation einzusetzen? Diesem Anspruch genügt sie nicht, weder im Reiche noch der Region. Die Gründe hierfür sind vielfältig, grob lassen sie sich mit einem 'proletarischen Antifeminismus' der Sozialdemokraten gegenüber ihren Parteigenossinnen erklären. Das Geschlecht war gewiß ein Kriterium bei der Erstellung von Kandidatenlisten. Die pfälzischen SPD-Frauen fanden sich vorzugsweise auf aussichtslosen Plätzen, so daß sie mehr eine Alibi- als eine ernstzunehmende Kandidatinnenfunktion wahrnahmen« (Renner 1999, 412).

Inwieweit ein alltagspraktisches Spannungsverhältnis zwischen der vorgezeichneten sozialistischen Gesellschaftsutopie und gelebten Geschlechterverhältnissen aus heutiger Sicht bereits als »Antifeminismus« zu bezeichnen wäre, muss zumindest hinterfragt werden.

Aus dieser Dokumentgeschichte wird immerhin ersichtlich, dass es eine Diskrepanz zwischen der sozialdemokratischen Idealvorstellung einer Gleichberechtigung von Mann und Frau und dem Frauenbild der 1920er Jahre gab, das von politischen, ökonomischen und sozialen Bedingungen der Zeit prägt war. Diese Diskrepanzen wirkten sich bis in die Gestaltung der Frauenbeilage einer pfälzischen Parteizeitung aus.

Von einer gelebten Emanzipation war man sowohl in der Weimarer Gesellschaft als auch in der SPD in dieser Zeit noch weit entfernt. Erst 1949 wurde durch das Engagement der Sozialdemokratin Elisabeth Selbert der Gleichheitsgrundsatz in eine deutsche Verfassung aufgenommen. Doch auch mit diesem juristischen Schritt ist die Forderung nach Gleichberechtigung eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung geblieben.

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Literatur

Bebel, August (1879). Die Frau und der Sozialismus. Stuttgart.

Florence Hervé (Hg.) (51995). Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Köln.

Frevert, Ute (1986). Frauen-Geschichte. Zwischen bürgerlicher Verbesserung und neuer Weiblichkeit. Frankfurt am Main.

Geis, Manfred & Nestler, Gerhard (1999). Einleitung. In: Geis, Manfred & Nestler, Gerhard (Hg.). Die pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49. Edenkoben.

Grebing, Helga (2012). August Bebel, die Frau und der Sozialismus (1897). In: Kruke, Anja & Woyke, Meik (Hg.). Deutsche Sozialdemokratie in Bewegung, 1848 – 1863 – 2013. Bonn.

Kautsky, Karl (141919). Das Erfurter Programm in seinem grundsätzlichen Teil. Stuttgart.

Klemm, Sabine (1999). Frauenbewegung und Familienrecht 1848 bis 1933. Eine Betrachtung anhand von Quellen. Tübingen.

Nave-Herz, Rosemarie (51997). Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland. Hannover.

Renner, Ute (1999). Die sozialdemokratische Frauenbewegung der Pfalz 1918-1933. In: Geis, Manfred & Nestler, Gerhard (Hg.). Die pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49. Edenkoben.

Zetkin, Clara (1971) [1928]. Die sozialdemokratische Frauenbewegung. In: Zur Geschichte der proletarischen Frauenbewegung Deutschlands. Berlin.

Quellen

Stadtarchiv Ludwigshafen (STALU), Zeitungsbestand, Pfälzische Post, Jg. Jg.24 (Nr. 41, Nr. 67, Nr. 77, Nr. 84, Nr. 88, Nr. 101, Nr. 106, Nr. 112, Nr. 134, Nr. 140, Nr. 152, Nr. 158, Nr. 170, Nr. 181, Nr. 199, Nr. 205, Nr. 211, Nr. 223, Nr.226, Nr. 229, Nr. 262); Jg. 33.

Bildnachweis

Abb. 1: STALU, Zeitungsbestand, Pfälzische Post, Jg. 24.

Abb. 2: STALU, Zeitungsbestand, Pfälzische Post, Jg. 24, Nr. 140 (»Mutterbewusstsein«).

Abb. 3: STALU, Zeitungsbestand, Pfälzische Post, Jg. 24, Nr. 181 (»Meine Mutter«).

Abb. 4: STALU, Zeitungsbestand, Pfälzische Post, Jg. 24, Nr. 205 (»Chinesische Weisheitssprüche über die Frau«).

Abb. 5: STALU, Zeitungsbestand, Pfälzische Post, Jg. 24, Nr. 262 (»Frauen! Wählt zur Wäsche nur Persil«).

Abb. 6: STALU, Zeitungsbestand, Pfälzische Post, Jg. 24, Nr. 229 (»Der Monat Oktober ist der Werbemonat der Frauen«).

Abb. 7: STALU, Zeitungsbestand, Pfälzische Post, Jg. 24, Nr. 41 (»Was unsere Frauen nicht vergessen dürfen!«).

Zitierhinweis

Güthe, Katharina & Leichtling, Christina (2013). »Für unsere Frauen«. Frauenbilder der Weimarer Zeit in der Parteizeitung »Pfälzische Post«. In: Roth, Jonathan (Hg.). Sozialdemokratie in Rheinland-Pfalz – Dokumente aus drei Jahrhunderten. www.sozialdemokratie-rlp.de/dokumente/fuer-unsere-frauen.html (Datum des Zugriffs).

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Endnoten

  1. Konzeptionelle Unterschiede der bürgerlichen und der proletarischen Frauenbewegung sowie Gemeinsamkeiten beider Bewegungen behandelt die Arbeit von Sabine Klemm (1999). »
  2. Vgl. STALU, Zeitungsbestand, PP, Jg.24, Nr. 226 (»Mit neuer Kraft«). »
  3. Ute Renner hingegen nennt als das Erscheinungsdatum der Frauenbeilage der »Pfälzischen Post« den 27. Februar 1924 und stellt die Umbenennung im Jahr 1925 fest (vgl. Renner 1999, 39). »
  4. Dies lag vermutlich an einer Verschiebung des Stellenwerts der Frauenagitation innerhalb der SPD, da in »der Endphase der Weimarer Republik in der pfälzischen SPD […] der Kampf gegen die rechtsradikalen und nationalistischen Kräfte Priorität« hatte (Geis 1999, 12). »
  5. Vgl. STALU, Zeitungsbestand, PP, Jg.33. »
  6. STALU, Zeitungsbestand, PP, Jg.24, Nr.140. »
  7. STALU, Zeitungsbestand, PP, Jg.24, Nr.205. »
  8. STALU, Zeitungsbestand, PP, Jg. 24, Nr. 229. »
  9. STALU, Zeitungsbestand, PP, Jg. 24, Nr. 41. »