Revolution, Kommunisten, Arbeiter

Der Mainzer Arbeiterbildungsverein von 1848

von Dennis Kaufmann

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Abb. 1: Aufruf des Mainzer Arbeiterbildungsvereins (1848)

1848: Revolution! In nahezu ganz Europa begehren die Bürger und Arbeiter gegen die herrschenden Zustände und Klassen auf. Rede und Versammlungsfreiheit und vor allem Demokratie sind die Forderungen der Zeit. Unter bürgerkriegsähnlichen Zuständen werden ersten Erfolge errungen. In den Städten des Deutschen Bundes schließen Demokraten, Sozialisten und Kommunisten Allianzen gegen die Fürsten und die entstehende »Geld-Aristokratie«. Sie gründen die ersten Vereine, die für die neue Arbeiterklasse das Wort erheben. Unter ihnen der Mainzer Bildungsverein für Arbeiter, der das ambitionierte Ziel verfolgt, alle Kräfte der Arbeiterbewegung in Mainz zu sammeln.

Inhalt

»An alle Arbeiter Deutschlands«

»Die Revolutionen sind die Lokomotiven der Geschichte« -Karl Marx

Im Mai 1875 vereinigten sich der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP), Vorgängerpartei der späteren SPD. Jedoch war diese Vereinigung nicht ohne Vorgeschichte möglich. Vielmehr waren verschiedene Stationen der Institutionalisierung notwendig, um eine Basis für die Arbeit und das Selbstbildnis der neu entstandenen Partei der Arbeiter zu begründen.

Der Beginn dieser Vorgeschichte ist markiert durch einen zentralen Wendepunkt der Geschichte Europas und speziell Deutschlands. Ausgehend von der Februarrevolution in Frankreich 1848 verbreiteten sich im Deutschen Bund die Forderungen nach Presse, Vereins und Versammlungsfreiheit und einem demokratisch geeinten Staat. Zwar gab es bereits zuvor Bestrebungen, die hierarchisch geprägte Ständeordnung zugunsten einer Bürgergesellschaft umzugestalten bzw. abzuschaffen, wie die der Mainzer Republik 1793 oder des Hambacher Festes 1832. Aber erst in der Revolution von 1848/49 konnten erste Schritte hin zu einem demokratischen Rechtsstaat gegangen werden. Die noch junge Arbeiterbewegung, die bis auf wenige verstreute Vereine im Inland sowie im liberaleren Ausland noch keine größere Organisationsstruktur aufwies, erlebte mit der Durchsetzung der Vereins- und Versammlungsfreiheit im März 1848 neben den ersten gewerkschaftlichen Bestrebungen ihre erste große Gründungswelle von Arbeiter- und vor allem Arbeiterbildungsvereinen (im Nachfolgenden: ABV).

Über Ideologie und Programme entschieden die kommunistischen bzw. liberaldemokratischen Vereinsvorstände, für die einfachen Mitglieder war das Vereinsleben wichtiger. Zum einen boten die Vereine verschiedene Kurse zur Bildung der Arbeiter und ihrer Fertigkeiten an. Zum anderen gab das Vereinsleben den Mitgliedern eine Grundlage für den Austausch und die Möglichkeit zur Herausbildung eines gemeinsamen Wir-Gefühls. Für manche waren die Arbeiterbildungsvereine eine vorübergehende Station ihres Lebens. Für andere bildete sich innerhalb der Zugehörigkeit ein Klassen(selbst)bewusstsein und damit erst die Möglichkeit aus dieser Position heraus am späteren politischen Geschehen selbstbestimmt teilzunehmen.

Abb. 1: Aufruf des Mainzer Arbeiterbildungsvereins (05.04.1848)

Am 5. April 1848 veröffentlichte einer dieser Arbeiterbildungsvereine, es war der Mainzer, einen Aufruf mit Forderungen nach Zusammenarbeit und Bündelung der Kräfte der Arbeiterklasse gegen ihre Ausbeutung (Abb.1).1)

Zu diesem Zeitpunkt war die Arbeiterbewegung erst im Entstehen, Vereine gründeten sich und lösten sich nur wenige Wochen später wieder auf oder konkurrierten mit anderen Arbeitervereinen um die Mitglieder. Eine für die Verwirklichung der Ziele so zentrale Bedingung wie die gemeinsame Organisation aller Vereine gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Der Aufruf wurde in Zeitungen wie der Mainzer Zeitung, dem Mannheimer Abendblatt oder den Konstanzer Seeblättern abgedruckt. Er fand darüber hinaus auch im ganzen Deutschen Bund Verbreitung durch reisende Vereinsmitglieder.

Anhand dieses Aufrufes soll in den folgenden Kapiteln das Selbstverständnis des Mainzer ABV rekonstruiert werden. Einzelne Textpassagen werden zum Anlass genommen, nach der Lebenslage der Menschen, der Rolle der Revolution um 1848, der Aufgabe der Arbeiterbildungsvereine und nach Menschen und Zielen in diesem Mainzer Verein zu fragen. 

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Eine Welt im Wandel

»Brüder und Arbeiter! Wollen wir nicht abermals die Meistbetrogenen sein, nicht ferner auf eine lange Reihe von Jahren hinaus durch eine kleine Zahl ausgebeutet, verachtet und niedergetreten werden, so dürfen wir keinen Augenblick verlieren, keine Minute in Untätigkeit verstreichen lassen.«1)

Das »lange 19. Jahrhundert« (Eric Hobsbawm) war geprägt von Umbrüchen. Die erste Hälfte des Jahrhunderts war in Mitteleuropa gekennzeichnet von den ersten demokratischen Bewegungen ebenso wie dem Beginn der Industrialisierung. Eine starke Bevölkerungszunahme erhöhte die Einwohnerzahl Europas von 187 Millionen auf über 266 Millionen (vgl. Langewiesche 2007, 22) und veränderte die Gesellschaft rapide.

Die immer schneller werdende Verstädterung West- und Mitteleuropas führte zu veränderten Lebensgewohnheiten und Lebenslagen der Menschen. Alleine in Mainz stieg die Einwohnerzahl zwischen 1815 und 1835 um knapp zwei Drittel (vgl. Statistisches Landesamt 2013a). Es begann der Wandel von einem ständisch-feudal gegliederten System hin zur bürgerlich-industriell geprägten Kultur (vgl. Rürup 1992, 13).

An die Stelle der alten Stände (Adel, Klerus, Bürgertum, Bauern), welche rechtlich definiert waren und über die Berufszugehörigkeit entschieden, traten nun die Klassen. Im Hinblick auf die soziale Ungleichheit unterschied sich das neue System, wenn überhaupt, nur geringfügig vom alten. Die neue Klasse der Arbeiter befand sich in einer gravierenden Abhängigkeitsposition gegenüber der Industrie.

Die Arbeiter in der Mitte des 19. Jahrhunderts

Innerhalb der Phase des Bevölkerungswachstums kam es immer häufiger zu Nahrungsengpässen und Agrarkrisen in ganz Europa, bei zunehmender Armut und Bedrohung durch Arbeitslosigkeit. Für die einfachen Familien der entstehenden Arbeiterklasse stand unter diesen Vorzeichen die Sicherung der Grundversorgung im Vordergrund ihres Handelns. Diese Zustände nutzte die aufstrebende Industrie, indem sie den Arbeitern in ihrer Not die Arbeitsbedingungen diktieren konnte.

Die Belastungen einer 80- bis 90-stündigen Arbeitswoche bei schwerster körperlicher Arbeit (vgl. Bähr, Jentsch & Kuls 1992, 943), geringster gesetzlicher Absicherung, keinem Anspruch auf Urlaubszeit und wenig Lohn, prägten den Arbeitsalltag. Auch Handwerksgesellen und Tagelöhner hatten meist keine besseren Lebensbedingungen als die Fabrikarbeiter. In dieser frühen Phase der Industrialisierung kam es noch nicht zum massenhaften Bau von Mietskasernen, vielmehr lebte die Arbeiterfamilie in äußerster Enge mit mehreren Generationen unter einem Dach (vgl. Gestrich 1999, 22).

Abb. 2: Stahlstichpanorama von Mainz um 1850/55
Abb. 2: Stahlstichpanorama von Mainz um 1850/55

Mainz um 1850

Die Enge der Wohnsituation wurde in Mainz noch verstärkt durch die Beschlüsse, die Mainz als Bundesfestung2) deklarierten. Dies hatte zur Folge, dass die Einwohnerdichte in Mainz im Jahr 1864 mit 89 Personen je preußischem Morgen die höchste aller Städte des Deutschen Bundes war und auch in Europa herausstach.3) Zeitgleich kam Paris auf 59 Personen und Berlin auf 28 Personen je Morgen (vgl. Schütz 1977a, 51), und dies trotz der Auswanderungswellen in den 40er und 50er Jahren des 19. Jahrhunderts.

Nicht nur aufgrund der Enge unterschied sich Mainz als rheinhessische Provinzialhauptstadt vom Großherzogtum Hessen, zu welchem Mainz seit dem Wiener Kongress 1815 gehörte. Gerade konfessionell unterschied sich die Stadt vom protestantisch geprägten Hessen. Im Jahr 1849 lebten 27 633 Katholiken in Mainz bei einer Einwohnerzahl von 35 140. Auch zeigen die Statistiken aus dem Jahr 1849 die noch geringe Ausprägung der Großindustrie: auf 286 männliche und 86 weibliche Fabrikarbeiter kamen 2 442 Gewerbetreibende im Handel und Handwerk und 3 095 Handwerksgesellen (vgl. Schütz 1977b, 9).

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Die Anfänge der Arbeiterbildungsbewegung

»Vereinzelt, wie bisher, sind wir schwach, obgleich wir Millionen zählen. Vereinigt und organisiert werden wir dagegen eine unwiderstehliche Macht bilden. Drum, Brüder, überall in Städten und Dörfern Arbeitervereine gebildet, in denen unsere Verhältnisse erörtert, Maßregeln zur Abänderung unserer jetzigen Lage vorgeschlagen.«3)

Die Entwicklung der ABV beginnt in den 1840er Jahren und ist im Kontext der Umwälzungen des 19. Jahrhunderts zu verstehen: dem Wandel der Agrargesellschaft zur industriellen Kultur, der Entpersonalisierung der Arbeit sowie der zunehmend prekären Lage des »Vierten Standes« (vgl. Birker 1973, 17).

In diesem Klima versuchten die Arbeiterbildungsvereine die meist niedrige Bildung der Handwerker und Arbeiter zu verbessern. Die Schulbildung beschränkte sich, wenn überhaupt, auf den Besuch von Volksschulen, auch »Schule der Untertanen« genannt (Meyer 1976). Diese waren schlecht ausgestattet und hatten ein begrenztes Fächerangebot. Auf einen Lehrer kamen nicht selten 80 Schüler, in ländlichen Gebieten sogar bis zu 200 Schüler. Unter diesen Vorbedingungen waren die Volksschulen nicht mit den humanistischen Gymnasien des Bürgertums vergleichbar. Der Besuch einer Volksschule determinierte oftmals den weiteren Lebensweg der Schüler als Tagelöhner, Handwerksgeselle oder Industriearbeiter (vgl. Kraus 2008, 48–49).

Die Vereine und ihre Arbeit

Auf Initiative von liberalen Bürgern wurden die Vereine mit der Absicht gegründet, »die mögliche Verbesserung des materiellen, geistigen und sittlichen Zustandes der arbeitenden Klassen herbeizuführen und auf diese Weise den Erzeugern der menschlichen Produkte ihre gebührende Stellung in der menschlichen Gesellschaft zu verschaffen«.4)

Es wurden theoretische Kurse angeboten wie Rechnen, Schön und Rechtschreibung, Lesen, Zeichnen, Englisch, Französisch, Physik, Chemie, Sozialökonomie, Privatökonomie, Fabrikkunde und Staatswissenschaft, aber auch praktische Kurse wie Modellieren, Möbelschnitzen und Gesang. Die Arbeiterbildungsvereine waren mit ihrem Angebot somit auch Vorläufer der heutigen Erwachsenen- und Volkshochschulbildung. Der, wie es in den Statuten des Mainzer ABV heißt, »geistige und sittliche Zustand der arbeitenden Klassen«5), für den zuvor die Zünfte zuständig waren (vgl. Birker 1973, 187), sollte nun auch in den Arbeiterbildungsvereinen gestärkt werden.

Zentral war nicht nur die Bildungsarbeit selbst, sondern auch das Identifikationsangebot der Vereine. Geselligkeitsveranstaltungen, Feste, Gesangsabende und Ausflüge waren Teil der Freizeitgestaltung und somit des Alltags einer sich ausbildendenden Arbeiteridentität. Hierzu trugen auch die Diskussionen und Vorlesungen bei, die in den Vereinen in den frühen Jahren der Arbeiterbewegung vor allem die soziale Frage zum Thema hatten.

Die Einschränkungen des persönlichen Lebens durch die Wohn und Arbeitsverhältnisse und die staatliche Kontrolle gerade unterbürgerlicher Schichten waren Vorbedingungen, die den Bildungswillen und das entstehende Wir-Gefühl der heterogenen Arbeiterklasse nicht selbstverständlich erscheinen lassen (vgl. Kaschuba 1990, 31). 

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Die Revolution 1848/49

Abb. 3: Aufruf des Provinzialkomitees Rheinhessen zur Durchsetzung der Verfassung
Abb. 3: Aufruf des Provinzialkomitees Rheinhessen zur Durchsetzung der Verfassung

»Vertreter aus der Arbeiterklasse ins deutsche Parlament namhaft gemacht, erwählt und alle übrigen Schritte getan werden, die zur Wahrung unserer Interessen nötig sind.«6)

Die sozialen und politischen Probleme, die seit Beendigung der Napoleonischen Kriege zunehmend auftraten, entluden 1848 sich in einer Revolutionswelle über halb Europa. Inspiriert durch Proteste in Italien und Frankreich gingen die Menschen auch im Deutschen Bund, Österreich-Ungarn, Polen und weiteren Staaten auf die Straßen und sorgten für teilweise bürgerkriegsähnliche Zustände. Trotz der geographischen und politischen Unterschiede der verschiedenen Staaten einte die Bewegung doch ein gemeinsames Ziel, das sich aus den drei Hauptforderungen der Revolutionszeit ableitete: »Staatenbildung nach dem Nationalitätenprinzip, Demokratisierung des politischen Herrschaftssystems und Neuordnung der Sozialverfassung« (Langewiesche 2007, 72).

Ihren ersten Höhepunkt erreicht die revolutionäre Stimmung im März 1848. Durch Barrikadenkämpfe setzten die Bürger und Arbeiter die Märzforderungen gegenüber den Fürsten und Königen durch. Die Revolutionäre kämpften für ein gesamtdeutsches Parlament, politische Teilhabe und die gesetzliche Garantie für Versammlungs- und Redefreiheit (vgl. Müller 2012, 41).

Die Revolution in Mainz

Auch in Mainz wurden die »übrigen Schritte zur Wahrung der Interessen«7) gegangen. Am 28. Februar 1848 formulierte das Mainzer Bürgerkomitee die Mainzer Märzforderungen. In den elf Forderungen wurden sowohl Pressefreiheit als auch Rechtsgleichheit der verschiedenen Konfessionen sowie ein gesamtdeutsches Parlament und die Volksbewaffnung gefordert. Auch sollte bei einer Ablehnung durch den hessischen Großherzog Ludwig II. (1777–1848) ein Marsch nach Darmstadt, in die Hauptstadt des Großherzogtums, den Forderungen Nachdruck verleihen (vgl. Verein für Sozialgeschichte Mainz 1999, 5). Und dies, obwohl mit den preußischen und österreichischen Truppen in der Stadt die Gefahr einer schnellen Niederschlagung der revolutionären Bewegung bestand und zudem die »Zentralbehörde zur näheren Untersuchung der revolutionären Umtriebe« des Deutschen Bundes seit 1819 ihren Sitz in Mainz hatte.

Am 6. März 1848 verkündete der Demokrat Franz Zitz vom Balkon des Mainzer Theaters, dass der Großherzog abdanke und sein Nachfolger, Ludwig III., die Märzforderungen in vollem Umfang gewähre. Aus dem geplanten Protestmarsch nach Darmstadt wurde ein Volksfest (vgl. Schütz 1998, 407). Die folgenden Monate waren jedoch überschattet von Konflikten zwischen der neu gebildeten Bürgerwehr und dem preußischen Militär. Am 21. Mai 1848 kam es zu dem blutigen Höhepunkt der Auseinandersetzungen im Stadtzentrum rund um das Mainzer Theater, das zu diesem Zeitpunkt als Hauptquartier der Bürgerwehr diente. Betrunkene, in Wirtshäusern randalierende preußische Soldaten erregten den Zorn der Bürgerwehr. Bei den Verfolgungsjagden über das Höfchen und die Ludwigsstraße kam es zu vier Toten sowie 25 Verletzten auf preußischer und fünf Verletzten auf Mainzer Seite (vgl. Brodhaecker, 31).

Die Frankfurter Nationalversammlung

Die Forderung nach einem gesamtdeutschen Parlament wurde durch die Frankfurter Nationalversammlung im Mai 1848 Wirklichkeit, die sich aus demokratisch gewählten Abgeordneten zusammensetzte. Im Aufruf des Mainzer ABV wird gefordert, dass Vertreter der Arbeiterklasse in das Parlament gewählt werden sollten. Doch nach den Wahlen stand fest: Kein Arbeiter zog ins Parlament (vgl. Botzenhart 1998, 95). Der Mainzer Arbeiterbildungsverein urteilte darüber in einem Brief an den Kölner Arbeiterverein:

»Wir werden den Arbeitern ihr Elend und Ihre Bestimmung zu einem besseren Dasein ins Bewusstsein rufen, damit der Drang nach menschlichen Zuständen, der Drang, aus dieser Sklaverei herauszukommen, in der wir uns befinden, in allen rege wird. Wenn dies geschehen, werden unsere Widersacher nicht mehr den Mut besitzen, uns Millionen von der Vertretung im deutschen Parlament auszuschließen, wie dies in den letzten Tagen geschehen; wir werden unsere Männer dorthin schicken und jederzeit bereit sein, Ihren Worten Nachdruck zu verschaffen.«8)

Die in der darauffolgenden Zeit bis März 1849 erarbeitete Verfassung sah eine konstitutionelle Monarchie mit demokratischen Elementen vor. Die Ablehnung der Kaiserkrone durch den Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861), der als Kaiser vorgesehen war, bedeutete jedoch das Ende der Verfassung und der durchgesetzten Reformen. In Mainz wurde die Bürgerwehr entwaffnet und die neu entstandene freie Presse- und Vereinslandschaft der Stadt mit wenigen Ausnahmen aufgehoben und verboten.

Die Versuche demokratisch gesinnter Bürger und Arbeiter die Verfassung doch noch durchzusetzen, wurden vor allem durch preußische Truppen gewaltsam niedergeschlagen. Ihr Eintreten für die Demokratie ist heute unter den von Friedrich Engels geprägten Begriff Reichsverfassungskampagne bekannt. Allerdings hatte die erarbeitete Verfassung einen langen Nachhall. Die demokratischen Grundrechte, die sie deklarierte, sollten später die Basis für die Verfassung der Weimarer Republik sowie für das Grundgesetz der Bonner Republik aus dem Jahr 1949 werden.

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Der Mainzer Bildungsverein für Arbeiter

Abb. 4: Eintrittskarte für die Gründungsversammlung des Demokratischen Vereins Mainz am 11. 05. 1848
Abb. 4: Eintrittskarte für die Gründungsversammlung des Demokratischen Vereins Mainz am 11. 05. 1848

»Sämtliche Arbeitervereine Deutschlands müssen ferner so schnell als möglich miteinander in Verbindung treten und darin bleiben. Wir schlagen Euch vor, Mainz vorläufig zum Mittelpunkte für sämtliche Arbeitervereine zu wählen und mit dem unterzeichneten Vorstande in Korrespondenz zu treten, damit wir uns über einen gemeinsamen Plan verständigen und sobald als möglich auf einer Zusammenkunft von Abgeordneten aller Vereine den Sitz des Zentralkomitees etc. definitiv bestimmen können.«8)

Die im Zuge der Märzforderungen von 1848 erstrittene Vereinsfreiheit führte zu diversen Vereinsgründungen in Mainz (Abb. 4). Der Bildungsverein für Arbeiter ist aber nicht ohne Vorgeschichte in Mainz entstanden. Der Bund der Kommunisten (im Nachfolgenden: BdK), unter Führung von Karl Marx und Friedrich Engels und seine Vorgängerorganisation, der Bund der Gerechten, hatten bereits seit 1836 Geheimbünde in der Stadt. In den Monaten der Revolution gründeten Kommunisten in ganz Deutschland Arbeitervereine als legale Organisationen, die mit den illegalen Gemeinden des BdK eng verzahnt waren (vgl. Broo 1989, 67–68). Von der Zentrale des BdK im revolutionären Paris wurden 300 bis 400 Mitglieder zu diesem Zweck nach Deutschland ausgesandt, um in ihren Heimatorten Vereine zu gründen (vgl. Obermann 1959, 1028–1064).

Unter ihnen befindet sich auch der Mainzer Carl Wallau9), zu diesem Zeitpunkt Mitglied des Zentralkomitees des BdK und zuvor Präsident des Deutschen Arbeiterbildungsvereins in Brüssel. Ebenfalls beteiligt ist Paul Stumpf, welcher in der weiteren Geschichte der Arbeiterbewegung in Mainz noch eine zentrale Rolle spielen sollte.

Durch Carl Wallau und andere hochrangige Mainzer BdK-Mitglieder ist wohl auch begründet, warum Mainz als Zentrale der Arbeiterbildungsbewegung vorgesehen war (vgl. Broo 1989, 69). Zu den weiteren Gründungsmitgliedern zählen Johann Schickel, Adolf Cluss, Phillip Johann Neubeck und Friedrich Jakob Schütz (vgl. Heinzelmann 1977, 29-38). Der provisorische Vorstand rief am 25. März 1848 zur Versammlung aller Interessierten in den Pariser Hof auf. Dies ist der erste Beleg für den Verein (vgl. Monz 1986, 241). 

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Mitglieder

Es sind keine Mitgliederlisten des Mainzer ABV überliefert. Hanno Broo nutzte für seine Dissertation »Arbeiter und Volksbewegung in Mainz« (1989) zeitgenössische Zeitungen und konnte so einige Mitglieder ermitteln. Meist fanden in den Zeitungen nur Mitglieder Erwähnung, die zentrale Funktionen übernahmen. Einfache Mitglieder sind somit nicht überliefert. Aus den Quellen ergibt sich die Berufsstruktur der Mitglieder, es waren Menschen mit bürgerlichen Berufen wie z. B. Maschinenfabrikant, Zigarrenfabrikant oder Kaufmann. Aber auch Vertreter aus der Arbeiterklasse wie u.a. Fabrikarbeiter, Seiler, Tapezierer und Fuhrknechte fanden Erwähnung (vgl. Broo 1989, 124–130). Aus dem überlieferten Verzeichnis der zu dem ABV gehörenden Feuerwehrlöschmannschaft lässt sich das junge Durchschnittsalter der unbekannten Mitglieder ermitteln, da ausschließlich die Geburtsjahre 1830-1833 verzeichnet sind (vgl. Broo 1989, 130–131).

Die genaue Mitgliederzahl ist unbekannt, nach einem Bericht der Mainzer Zeitung vom 25. Juni 1848 sollen aber »Hunderte von Arbeitern« (Broo 1989, 130) teilgenommen haben. Auch Karl Schapper berichtete der BdK Zentrale von 700 Mitgliedern und meldet: »In Mainz ist ein guter Boden, wo schöne Fortschritte gemacht werden können.« Er berichtete weiter, dass er und andere auch in Wiesbaden eine Gemeinde des BdK und einen Arbeiterverein gründen konnten, mit bereits über 100 Mitgliedern.9)

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Bildungskurse und Vereinsleben

Abb. 5: Zeitungsartikel über den Bildungsverein für Arbeiter in Mainz ( »Der Demokrat«, 16. 04. 1848)
Abb. 5: Zeitungsartikel über den Bildungsverein für Arbeiter in Mainz ( »Der Demokrat«, 16. 04. 1848)

An den Berufen der Mitglieder orientierte sich auch das Kursangebot. Aus Zeitungsberichten und Briefen (Abb. 5.) ist überliefert, dass seit Juli 1848 folgende Fächer kostenlos jeden Abend angeboten wurden: Schreiben, Rechnen, Geometrie, Zeichnen und Stilübungen (Broo 1989, 155).

An diesem Kursangebot wird deutlich, wie gering die staatliche Schulbildung ausgeprägt war, da selbst die grundlegendsten Fähigkeiten erst in den Bildungskursen des ABV erlernt wurden. Für manche Mitglieder des Vereins bot die Fokussierung auf die Bildungsarbeit aber auch Anlass zu deutlicher Kritik. Der bereits erwähnte Johann Schickel beanstandete am 14. April 1848 in einem Brief an Karl Marx, die seiner Meinung nach zu geringe revolutionäre Ausrichtung des Vereins:

»Der Arbeiter-Bourgeoise-Verein zählt 300 Mitglieder, und Wallau ist Präsident, doch kommt mir dieser ganze Witz wie eine ABC-Schule vor, die Arbeiter lernen lesen, schreiben und rechnen, und Kalisch10) gibt wöchentlich eine Stunde, um diese Ochsen auch sprechen zu lernen! Es ist zum Tollwerden!«11)

Weitere überlieferte Fächer sind Modellieren in Ton, Neuere Geschichte, Arithmetik, Algebra und Gesang. Auch ein Kurs in freier Rede wurde aufgenommen.12) Der langen Arbeitszeit war geschuldet, dass die Kurse zwischen 20 und 22 Uhr an Wochentagen und sonntags zwischen 9 bis 12 Uhr parallel stattfanden (vgl. Broo 1989, 155–157).

Diskussion und Identität

Bedeutender für die Identitätsfindung der Mainzer Arbeiter waren allerdings die Diskussionen und Vorlesungen, welche bereits in der Vereinsordnung festgeschrieben wurden. Dazu heißt es in § 2 der Satzung: Es sollen »Vorträge und Vorlesungen in allen Zweigen des Wissens gehalten, und hauptsächlich auch die Erscheinungen besprochen werden, welche uns die fortschreitende Entwicklung des Arbeiterstandes darthun« (zit. n. Broo 1989, 276). Hierzu wurden Fragekästen aufgestellt, in welchen die Mitglieder Anregungen und Schilderungen ihrer Probleme einwerfen konnten. Die Sitzungen begannen mit einem Vortrag zu einem speziellen Thema wie beispielsweise »Ueber die Ursachen und das Wesen des Proletariat« von Adolf Cluss (vgl. Broo 1989, 161), im Anschluss fand dann eine Diskussion statt.

Die Themenliste lässt sich als Spiegel des Arbeiterlebens lesen. So wurde etwa darüber diskutiert, ob sich das Betteln der Handwerksburschen, die einen Großteil der Arbeiterklasse ausmachten, mit der Existenz als freier Mann vereinbaren lasse, was ausnahmslos alle anwesenden Mitglieder des ABV verneinten. Diskussionsthemen wie »Warum wollen Mittelstand und Besitzlose die Republik, Geburts- und Geld-Adel aber keine Republik« zeigten das Interesse der Arbeiter verstehen zu wollen, wie die gesellschaftliche Entwicklung als Ganzes funktionierte (vgl. Broo 1989, 160–163).

Geselligkeit des Vereinslebens

Das Wir-Gefühl der Mitglieder wurde auch geprägt durch gemeinsame Aktivitäten, wie Gesangsdarbietungen im Anschluss an Versammlungen und andere Abendunterhaltungen. Dazu heißt es in einem Zeitungsbericht vom 04. Dezember 1849:

»Die Heiterkeit der Versammlung wurde aber besonders durch ein Mitglied des Vereins gehoben, welches aus dem Gebiete, der natürlichen Zauberei mehrere Künste producierte; und das Schlußstück, in welchen 3 Automaten so auf das Zwerchfell des Publikums wirkten, daß der Vorsitzende vor lauter Lachen kaum mehr die Schelle halten konnte, um den Lachsturm der Versammlung zu beschwichtigen, war höchst überraschend« (zit. n. Broo 1989, 190).

Entscheidend für die weitere Entwicklung der Mainzer Arbeiterbewegung war das Fest der Fahnenübergabe am 7. Januar 1849. Diese offizielle Gewerbefahne wurde nach einem Umzug vom Vereinslokal zum Frankfurter Hof gebracht. Dort gab es anschließend »humoristische« Vorträge und Konzerte (vgl. Broo 1989, 195–197).

Diese Fahne sollte später symbolische Bedeutung haben. Per Satzung war festgelegt: Nur der Inhaber der Fahne darf sich auf den ABV von 1848 als Vorgänger berufen (vgl. Broo 1989, 118). Zwar setzten verschiedene Vereine die Bildungsarbeit des Mainzer ABV nach dessen Auflösung fort, doch erst der im Jahr 1873 gegründete Bildungsverein Freundeskranz erhielt die Fahne des ABV von 1848 vom Gewerbeverein Mainz überreicht.

Soziales Engagement

In einer Zeit ohne größere staatliche Hilfsleistungen für die Armen der Bevölkerung, spielte das soziale Engagement des ABV, ganz im Sinne des Solidaritätsgedankens, ein zentrale Rolle. Der ABV Mainz verhandelte mit der Eisenbahn sowie der Dampfschifffahrtsgesellschaft über Fahrpreisermäßigungen und nahm eine für Deutschland wegweisende Rolle in der Unterstützung der wandernden Handwerksgesellen ein. Hierzu wurde zusammen mit dem bürgerlichen Gewerbeverein ein Arbeiternachweisbüro gegründet, welches Geldbeträge an arbeitslose Handwerksgesellen auf der Walz ausgab, um das »entwürdigende Betteln zu verhindern« (vgl. Broo 1989, 85–89). Der Verein unterhielt auch eine in Eigenregie organisierte Feuerwehr. Neben den Löschmannschaften des Turnvereins stellte sie den einzig ernstzunehmenden Schutz vor Bränden in Mainz zur Mitte des 19. Jahrhunderts dar (vgl. Broo 1989, 92–93).

Durch Carl Wallau war der ABV auch verbunden mit der Gründung des Nationalen Buchdrucker-Gehilfen-Verbandes im Frühjahr 1848 in Mainz (vgl. Hodel 1995, 4). Dieser bildet den ersten Versuch einer gesamtdeutschen Gewerkschaft, die sich unter anderem für die die Abschaffung der »Hungerlöhne« einsetzte.

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Solidarität und Arbeiterkampf

In den Revolutionsjahren bestanden in ganz Deutschland enge Verbindungen zwischen den Arbeitervereinen, demokratischen Vereinen und den politischen Turnvereinen. Auch in Mainz lassen sich zahlreiche Doppelmitgliedschaften in diesen Vereinen nachweisen. So schreibt die Mainzer Gemeinde des BdK an die Zentralbehörde in Köln:

»Der hiesige Turnverein zählt zur Zeit 750 Mitglieder; in demselben ist die Bourgeoisie noch am Ruder, doch wird sich dort wohl auch bald das […] vertretene proletarische Element rühren […] wenn die Leute nur einmal etwas Höheres eingeimpft bekommen, so wird sich's schon machen.«12)

Als die Umsetzung der Verfassung der Nationalversammlung scheiterte, kam es im Zuge der Reichverfassungskampagne zum Pfälzer Aufstand in der bayrisch regierten Pfalz. Aus Rheinhessen kamen ganze Kompagnien der Turner und Arbeitervereine den Aufständischen zur Hilfe, angeführt von den Demokraten Franz Zitz und Ludwig Bamberger, einem jüdischen Bankierssohn aus Mainz. Auch die Brüder Stumpf befehligten Arbeiterverbände.

Der im Juni 1849 einrückenden preußischen Übermacht konnten die Aufständischen jedoch nur wenig entgegensetzen. Der Aufstand wurde niedergeschlagen und es wurde der Befehl zum Rückzug gegeben. Eine Mainzer Gruppe versuchte trotzdem den Schlossgarten von Kirchheimbolanden zu verteidigen; bei dem aussichtslosen Versuch starben 17 Menschen (vgl. Monz 1986, 246-247).

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Epilog

Die im Mainzer Aufruf geforderte Einheit der Arbeitervereine konnte nicht erreicht werden und Mainz wurde nicht zum Mittelpunkt der Arbeiterbewegung (vgl. Monz 1986, 242). Zwar konnten mehrere Vereine versammelt und dafür gesorgt werden, »daß die Vereine die gehörige Richtung bekommen«13); allerdings bekundete man selbst: »wenn zu wenige Vereine dabei beteiligt sind, so schadet die Demonstration am Ende mehr, als sie nützt.«14)

Der Mainzer ABV selbst wurde Anfang Oktober 1850 durch die Polizeibehörde von Mainz verboten. Anlass war die großherzogliche Verordnung, welche besagte, dass alle politischen Vereine aufgelöst und ihre Neugründung verboten werde. In dem heute noch erhaltenen Entgegnungsschreiben des ABV an die Polizeibehörde heißt es:

»Nun ist es aber der Fall, daß wir kein politischer Verein sind, und auch nicht dafür gelten wollen. Die Tendenz unseres Vereins ist die Bildung des Arbeiterstandes und diese Tendenz kann der Regierung nicht anders als angenehm sein.«15)

Wenn auch die »Tendenz« tatsächlich nicht allein Bildungsarbeit gewesen ist, war der Einspruch erfolgreich. Der Verein wurde geduldet und gründete sich im November unter gleichem Namen neu (vgl. Broo 1989, 89–92). Man löste sich in der Folge allerdings tatsächlich von der politischen Tätigkeit und dem BdK, was zu Austritten und Neugründungen von geheimen kommunistischen und sozialistischen Verbindungen in Mainz führte.

Auf Bundesbeschluss vom 13. Juli 1854, welcher die Existenz und Neugründung von Arbeitervereinen im gesamten Deutschen Bund unter Strafe stellte, endete dann das erste Kapitel der Mainzer Arbeiterbewegung und des Mainzer Bildungsvereins (Broo 1989, 93–98). Erst nach Lockerung der Gesetze in den 1860er Jahren konnte das Mainzer Vereinsleben erneut begründet oder in manchen Fällen wieder fortgesetzt werden. Die zukünftige Parteienlandschaft wurde mehr und mehr sichtbar.

Für die Arbeitervereine bedeutete dies einen Richtungsstreit zwischen verschiedenen Ansätzen zur Lösung der sozialen Frage. Die einzelnen, neu gegründeten Mainzer Arbeitervereine standen sich konkurrierend gegenüber. Zudem spalteten sich die bürgerlich geprägten Volksbildungsvereine von den Arbeitervereinen ab. Der im Aufruf des Mainzer ABV beschriebene Zustand »vereinzelt sind wir schwach, obgleich wir Millionen zählen« sollte noch länger Bestand haben. Erst 1875 konnte die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands, die Vorgängerpartei der SPD, die Arbeiterbewegung wieder unter dem Banner Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – Einigkeit macht stark! bündeln.

Somit steht der Mainzer Aufruf am Anfang einer Geschichte und einer Bewegung. Sozialismus, Kommunismus und die zukünftige Sozialdemokratie waren nicht länger ein gesellschaftstheoretisches Konstrukt im Denken von Philosophen und Ökonomen. Mit dem Mainzer Aufruf ist der erste Versuch belegt, in Deutschland die Arbeiterbewegung und ihre Institutionen zu bündeln. Auch wenn Mainz nicht Zentrum der Bewegung wurde, ist die Geschichte des Arbeiterbildungsvereins kein geringer Baustein in der Entstehungsgeschichte der Demokratie in Deutschland, wie auch die Revolution von 1848/49, die ihn erst möglich machte.

Für die Mainzer Arbeiterbewegung wurde der bereits erwähnte Paul Stumpf wegweisend. Er gründete die Sektionen Mainz und Wiesbaden der Internationalen Arbeiter Assoziation (1. Internationale), welche von Karl Marx und Friedrich Engels von London aus geleitet wurde. Diese Sektionen bildeten den Kern des von Stumpf gegründeten Sozialdemokratischen Vereins, der 1869 der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) angegliedert wurde. Er war befreundet mit Wilhelm Liebknecht (1826–1900) und Patenonkel von Karl Liebknecht (1871-1919), dem späteren Gründer der KPD. Auch zu August Bebel, Karl Marx und Friedrich Engels hielt er enge Verbindungen. Zum Wahlsieg der SPD in der Wahl der Mainzer Stadtverordnetenversammlung 1892 sendet Engels ein Gratulationsschreiben und zieht dabei ein Resümee der Arbeiterbewegung in Mainz:

»Lieber, alter Stumpf, Du hättest mir zu meinen Zweiundsiebzigsten gar keine größere Freude machen können als mit der ultramontanen Bescheinigung unseres Wahlsieges in Mainz. Ihr seid zwar manchmal ein wenig Schwadroneure – geborene Weinreisende – aber wenns drauf ankommt, könnt ihr ins Geschirr gehen, dass es kracht und es bleibt unvergessen, daß Mainz die einzige deutsche Stadt war, die in der großen Revolution eine ehrenvolle Rolle gespielt hat.«16)

Eric Hobsbawm schrieb in seinem Buch »Europäische Revolutionen«: »Was an der Arbeiterbewegung der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts neu war, war das Klassenbewusstsein und der Kampf um die Klasseninteressen.« (Hobsbawm 1962, 403). Das hier behandelte Dokument mag nur eine kurze Episode der Arbeiterbewegung sein. Allerdings können uns heute nur solche Dokumente erzählen, welche Menschen hinter einem Wort wie Klassenbewusstsein standen und was es für sie bedeutete. Sicher sind die führenden Köpfe des Kommunismus und des Sozialismus bekannt, wie Karl Marx, Friedrich Engels oder Ferdinand Lassalle, aber ohne die Menschen im Hintergrund, die für eben diese Arbeiterklasse und ihre Ideale einstanden, wäre die Geschichte der Arbeiterbewegung nicht möglich gewesen.

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Literatur

Bähr, Jürgen; Jentsch, Christoph & Kuls, Wolfgang (1992). Bevölkerungsgeographie. Berlin.

Birker, Karl (1973). Die deutschen Arbeiterbildungsvereine 1840–1870. (=Publikationen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Bd. 10). Berlin.

Botzenhart, Manfred (1998). 1848/49: Europa im Umbruch. Paderborn.

Brodhaecker, Michael (1999). Der 21. Mai 1848 in Mainz. Dokumentation der politischen und sozialen Unruhen in der Bundesfestung anhand der Quellen. In: Verein für Sozialgeschichte Mainz (Hg.). Mainz und Rheinhessen in der Revolution von 1848/49 (20–37). Mainz.

Broo, Hanno (1989). Arbeiter- und Volksbewegung in Mainz. (=Studien zur Volkskultur in Rheinland-Pfalz, Bd.7). Mainz.

Gestrich, Andreas (1999). Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert. München/Oldenburg.

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Quellen

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Schreiben des Mainzer Arbeiterbildungsvereins als provisorisches Zentralkomitee der Arbeitervereine Deutschlands an den Kölner Arbeiterverein vom 23.04.1848. Abgedruckt in: Zeitung des Arbeiter-Vereines zu Köln, Jg. 1848 (Nr.2, 30.04.1848). Zit. n Institut für Marxismus und Leninismus beim ZK der SED (Hg.) (1983). Der Bund der Kommunisten: Dokumente und Materialien. Teil 1: 1836–1849. (770–771). Berlin.

Bildnachweis

Abb. 1: Aufruf »An alle Arbeiter Deutschlands« des Arbeiterbildungsvereins in Mainz vom 05.04.1848. Abgedruckt u.a. in: Mainzer Zeitung Nr.102, 11. 04. 1848. Bibliotheken der Stadt Mainz – Wissenschaftliche Stadtbibliothek (StB Mz) 66:2°/23/95.

Abb. 2: Stahlstichpanorama von Mainz um 1850/55. Stadtarchiv Mainz, J 0 73.

Abb. 3: Aufruf des Provinzial-Komitees von Rheinhessen zur Durchsetzung der Verfassung der Nationalversammlung. demokratiegeschichte.eu/fileadmin/user_upload/revolution_1848_49/AufrufRheinhessenAufstand18.jpg [13.03.2013].

Abb. 4: Eintrittskarte für die Gründungsversammlung des Demokratischen Vereins Mainz am 11.05.1848 im Frankfurter Hof. Stadtarchiv Mainz NL 40: Politische Vereine (1845–1854).

Abb. 5: Zeitungsartikel über den Bildungsverein für Arbeiter in Mainz in der Zeitung »Der Demokrat« vom 16.04.1848. Stadtarchiv Mainz, ZGS/ I 1,4: Flugblätter; Politica 1840-1860.

Zitierhinweis

Kaufmann, Dennis (2013). Revolution, Kommunisten, Arbeiter. Der Mainzer Arbeiterbildungsverein von 1848. In: Roth, Jonathan (Hg.). Sozialdemokratie in Rheinland-Pfalz – Dokumente aus drei Jahrhunderten. www.sozialdemokratie-rlp.de/dokumente/der-mainzer-arbeiterbildungsverein.html (Datum des Zugriffs).

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Endnoten

  1. StaBi Mainz; Aufruf »An alle Arbeiter Deutschlands« des ABV Mainz (05. 04. 1848). »
  2. Die Festungsanlagen der Stadt machten 30 % des Mainzer Stadtgebietes aus und waren mit 6 000 stationierten Soldaten der preußischen und österreichischen Armee besetzt (vgl. Broo 1989, 41). Auch eine Stadterweiterung außerhalb der Stadtmauer wurde durch die Beschlüsse nahezu untersagt. »
  3. StaBi Mainz; Aufruf »An alle Arbeiter Deutschlands« des ABV Mainz (05. 04. 1848). »
  4. LA Speyer, Entgegnung des Arbeiterbildungsvereins Mainz gegen seine Auflösung (03. 10. 1850). »
  5. LA Speyer, Entgegnung des Arbeiterbildungsvereins Mainz gegen seine Auflösung (03. 10. 1850). »
  6. StaBi Mainz; Aufruf »An alle Arbeiter Deutschlands« des ABV Mainz (05. 04. 1848). »
  7. StaBi Mainz; Aufruf »An alle Arbeiter Deutschlands« des ABV Mainz (05. 04. 1848). »
  8. StaBi Mainz; Aufruf »An alle Arbeiter Deutschlands« des ABV Mainz (05. 04. 1848). »
  9. RC Moskau, Brief von Karl Schapper an die Zentralbehörde des BdK in Köln (26. 04. 1848). »
  10. Ludwig Kalisch gründete die dem ABV Mainz nahestehende Zeitung »Der Demokrat«, war sowohl Mitglied des demokratischen Vereins in Mainz sowie des ABV und beteiligt am Pfälzer Aufstand. »
  11. RC Moskau, Brief von Johann Schickel an Karl Marx (14. 04. 1848). »
  12. RC Moskau, Schreiben der Gemeinde Mainz an die Zentralbehörde des BdK (23. 04. 1848). »
  13. RC Moskau, Schreiben der Gemeinde Mainz an die Zentralbehörde des BdK (23. 04. 1848). »
  14. RC Moskau, Schreiben der Gemeinde Mainz an die Zentralbehörde des BdK (23. 04. 1848). »
  15. LA Speyer, Entgegnung des Arbeiterbildungsvereins Mainz gegen seine Auflösung (03. 10. 1850). »
  16. IISH, Karl Marx and Friedrich Engels Papers K1666. Brief von Friedrich Engels an Paul Stumpf (30. 11. 1892). »