»Dokumentgeschichten« – Zum Ansatz des Projektes

Die Beiträge, die in diesem Projekt entstanden sind, erzählen Dokumentgeschichten. Sie stellen einzelne Dokumente in den Mittelpunkt und erörtern die Hintergründe, die zur Entstehung dieser Dokumente führten. So werden ausgewählte Wegmarken und Ereignisse der Sozialdemokratie in Rheinland-Pfalz beleuchtet.

Dokumente und ihre Geschichten

Der Begriff »Dokumente« wurde in diesem Projekt in einem weiten Sinn aufgefasst. In Frage kamen alle überlieferten Zeugnisse, die je nach Epoche und Quellenlage Aussagen über regionale Ereignisse und Personen zuließen.  Die verwendeten Quellen umfassen historische Archivalien und  Dokumente der Gegenwart, veröffentlichte und private Dokumente, Texte, Fotos und Gegenstände, Fremdbeschreibungen und Selbstzeugnisse, amtliche Protokolle sowie Interviews, die die Studierenden selbst­ständig führten.

Die Dokumentgeschichten handeln von Reden und ihrer Wirkung, von Vereinsgründungen und Versammlungen, von Autobiographien und Erinnerungen, von Verhaftungen und Widerstand, von politischen Ämtern und Karrieren. Die gesammelten Beiträge bieten regionale Einblicke in die politische Alltagskultur der Sozialdemokratie vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart und veranschaulichen damit die Herausforderungen, Ansprüche und Auswirkungen der jeweiligen Epochen.

Historiographische Erzählung

Die Dokumentgeschichten stellen eine Form der »Historiographischen Erzählung« dar. Das Anliegen dieser Erzählform ist es, »sprachlich eine kleine Welt zu schaffen, die die Quellen zu Äußerungen anregt, ihnen die Möglichkeit verschafft, von uns gehört zu werden – auch Widersprüchlichkeit und Misstöne der Stimmen«.1) Die Beiträge bieten ein Fenster in den Alltag und die Lebenswirklichkeit von Personen und Organisationen und behandeln die sozialdemokratische Geschichte damit aus einer kulturanthropologisch-volkskundlichen Perspektive.

Die Fallbeispiele zielen folglich nicht auf eine ganzheitliche Erfassung der großen Entwicklungslinien ab. Die Dokumentgeschichten betreffen Einzelphänomene, die ebenso variabel und vielschichtig sind wie die Alltagswelten, von denen sie handeln. Sie stehen gleichwohl nicht nur für sich. Wie die lebensgeschichtliche Forschung zeigt, verweisen auch Einzelfälle auf »übergeordnete Relevanzsysteme«: »Subjektive Aussagen ermöglichen ebenso einen Blick darauf, wie gruppenbezogene bzw. kollektive Erfahrungen und Bewusstseinslagen aussehen.«2) Die Dokumentgeschichten bieten fallspezifische Ergänzungen zu Überblicksdarstellungen der sozialdemokratischen Geschichte.

Politische Alltagskultur

Die Online-Publikation der Ergebnisse folgt den Perspektiven der Public History, die mit neuen Erzähl- und Darstellungsformen eine an die Öffentlichkeit gerichtete Vermittlung von Geschichte beabsichtigt.3) Das Projekt versteht sich zudem als ein Beitrag zu einer Anthropologie des Politischen.4) Die Themen und Inhalte der Beiträge nutzen die kulturanthropologischen Zugänge der Mikrohistorie, Sachkulturforschung und biographischen Forschung, um die politische Alltagskultur sozialdemokratischer Organisationen in Geschichte und Gegenwart deutlich zu machen.

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Endnoten

  1. Maase, Kaspar (2001): Das Archiv als Feld? Überlegungen zu einer historischen Ethnographie. In: Eisch-Angus, Katharina & Hamm, Marion (Hg.). Die Poesie des Feldes. Beiträge zur ethnographischen Kulturanalyse (255–271). Tübingen, hier: 262. »
  2. Seifert, Manfred (2009). Ego-Dokumente im Spannungsfeld von Forschungsperspektiven und Sammlungspraxis. Zum Stellenwert lebensgeschichtlicher Forschung im aktuellen Wissenschaftsdiskurs und ihre Konzeption am Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde. In: Ders. & Friedreich, Sönke (Hg.). Alltagsleben biografisch erfassen. Zur Konzeption lebensgeschichtlich orientierter Forschung (11–36). Dresden, hier: 24. »
  3. Ashton, Paul & Kean, Hilda (Hg.) (2009): People and their Pasts. Public History Today. New York; Bösch, Franz & Goschler, Constantin (Hg.) (2009). Public History. Öffentliche Darstellungen des Nationalsozialismus jenseits der Geschichtswissenschaft. Frankfurt a.M./New York. »
  4. Fenske, Michaela (Hg.) (2010). Alltag als Politik – Politik im Alltag. Dimensionen des Politischen in Vergangenheit und Gegenwart. Berlin; Adam, Jens &  Vonderau, Asta (Hg.) (2013). Formationen des Politischen. Anthropologie politischer Felder. Bielefeld. »